Artikel "Deutschland vor dem Fitnessstudio-Beben"
Verfasst: 2. Apr 2023, 20:40
Quelle: Welt.de
Man darf gespannt sein, wer sich durchsetzt und wie die Preise sich entwickeln.ANGRIFF AUF MCFIT & CO
Deutschland vor dem Fitnessstudio-Beben
Zwei Millionen Deutsche haben während der Pandemie ihre Fitnessstudio-Verträge gekündigt. Jetzt wollen finanzstarke Investoren die Rückkehrer für sich gewinnen – und mischen den Markt mit neuen Ideen auf. Das Angebot und die Studios könnten sich schon bald spürbar verändern.
Außen der Glanz einer früheren kaiserlichen Oberpostdirektion, innen roter Backstein und rohe Langhanteln – edel sieht ein Fitnessstudio der Zukunft aus. Zumindest, wenn es nach Martin Seibold geht. Das Hamburger Studio gehört zu Elbgym, einer kleinen Kette für ambitionierte und zahlungskräftige Hobbysportler, die Seibold, Chef des großen Anbieters Fitness First, aufgekauft hat.
Oder trägt die Zukunft der Branche doch eher das selbstbewusste Orange des niederländischen Königshauses, wie bei Basic-Fit? „Du wirst bald in jeder Stadt einen Klub finden“, tönt die preisgünstige Kette aus dem Nachbarland auf ihrer Website. Die ersten drei deutschen Filialen sind für Vorstandschef René Moos eigenen Angaben zufolge nur der Anfang.
Mietverträge für 65 weitere Klubs seien unterzeichnet, 600 geplant. Das ist keine Utopie: Allein seit Jahresbeginn 2022 hat die Kette in Westeuropa 250 neue Filialen eröffnet – so viele, wie der bisherige deutsche Marktführer McFit im Vierteljahrhundert seines Bestehens insgesamt geschafft hat.
Basic-Fit und Elbgym sind nicht die einzigen Fitnessketten, die nach dem Ende der Pandemie den Markt aufrollen wollen. Zwei Millionen Studiogänger haben in der Corona-Zeit ihre Verträge gekündigt und kehren jetzt zurück – aber nicht unbedingt zu ihrem bisherigen Anbieter.
Der deutsche Fitnessmarkt steht vor dem größten Umbruch seit der Trimm-dich-Welle der 1970er-Jahre – vorangetrieben von finanzstarken Investoren, die mit durchprofessionalisierten Konzepten die kleinteilige Branche aufmischen. „Vor allem einige Kettenanbieter nutzen nun ihre finanziellen Möglichkeiten, um in mehr Werbung für die Neukundengewinnung zu investieren“, sagt Stefan Ludwig, Partner bei der Beratung Deloitte.
Das geht zulasten von kleinen Betreibern ohne klares Profil, die nur mit einem oder zwei Studios am Markt sind. So verstärkt der 170 Milliarden Dollar schwere Finanzinvestor Oaktree im Stillen Fitness First mit Zukäufen, um die Kette nach mehr als einem Jahrzehnt endlich mit Gewinn abstoßen zu können. Auch FitX, dank der dahinter stehenden Münsterländer Spielhallen-Dynastie Schmidt finanzkräftig, schaut nach Übernahmen.
Pionier McFit unter Druck
Im Januar 2020, einen Monat bevor das Coronavirus in Deutschland ankam, kaufte der britische Freizeitkonzern David Lloyd Leisure die norddeutsche Luxus-Fitnesskette Meridian Spa. Konzernchef Glenn Earlam wirbt um neue Standorte.
Ausgerechnet in dieser Lage hat der hiesige Pionier McFit im Herbst seinen Gründer Rainer Schaller mit erst 53 Jahren bei einem Flugzeugunglück verloren. Unter der Ägide seines älteren Bruders Gerd, einem Dirigenten mit Leidenschaft für den österreichischen Romantikkomponisten Anton Bruckner, will das verbliebene Management bei dem Familienunternehmen aufräumen. McFit hatte 1997 mit nur einem Studio in Würzburg angefangen. Gerade in seinen letzten Lebensjahren sprühte der rastlose Gründer Schaller vor Ideen.
2020 erfüllte er sich einen Traum, als er die US-Fitnesskette Gold’s Gym aus der Insolvenz übernahm – eine Ikone der Bodybuilding-Szene der 1970er-Jahre um Arnold Schwarzenegger. Doch über solche Vorhaben geriet die Kernmarke ins Hintertreffen.
Große Strahlkraft für Finanzhaie
Das wollen die neuen Chefs nun angehen: „Derzeit arbeiten wir beispielsweise an einem umfangreichen Re-Design und neuem Trainingskonzept für zukünftige McFit-Studios, um das Erlebnis für unsere Kunden weiterhin attraktiv zu gestalten“, sagt Geschäftsführer Hagen Wingertszahn WELT AM SONNTAG. Weniger im Fokus sollen dagegen Schallers Nebenprojekte von der Modelagentur bis zur Mode stehen.
Ob das für McFit ausreicht, um wieder in die Offensive zu kommen, ist jedoch offen. Denn die von Finanzinvestoren angetriebenen Konkurrenten brauchen schnelles Wachstum, um den Wert ihrer Unternehmen zu steigern. Die Anziehungskraft der Branche auf Finanzhaie erklärt Berater Ludwig so: „Das Geschäft mit den Studios ist einerseits nicht allzu komplex, andererseits bietet es wegen der Abo-Struktur planbare Einnahmen und durch Neueröffnungen gute Wachstumsmöglichkeiten.“
Das geht am besten mit einem klaren Fokus. Angreifer Basic-Fit verfolgt, anders als die McFit-Gruppe, nur ein einziges Konzept: Studios mit Drehkreuz am Eingang, das einen 24-Stunden-Betrieb auch ohne Personal ermöglicht. Sieben Trainingszonen mit Platz für Freihanteln. Viel von der Markenfarbe Orange, wenig Schnickschnack.
2,4 Milliarden Euro ist das Unternehmen an der Börse wert, zu den Geldgebern zählt der Finanzinvestor 3i. „Basic-Fit würde nicht auf den deutschen Markt gehen, wenn sie dort kein großes Wachstumspotenzial sehen würden“, sagt ein Marktbeobachter. Die Ankündigung sei „mehr als ernst zu nehmen“.
Denn solche Konzepte ohne viel Service treffen den Geschmack der neuen Generation. „15-Jährige trainieren lieber mit TikTok-Anleitungen als mit den Anweisungen und Korrekturen eines Trainers“, heißt es etwa bei FitX mit 103 Groß-Studios. Zugleich macht Social Media Übungen mit Lang- und Kurzhanteln populärer – diese Bereiche müssen wachsen, feste Geräte weichen.
Auch sonst hat sich seit der Pandemie etwas geändert: Langlaufende Verträge, mit denen die Branche Kunden oft jahrelang zu zahlenden Karteileichen machen konnte, sind out – auch wegen neuer gesetzlicher Vorgaben. Monatsverträge sind im Kommen. Dafür jedoch müssen die Studios ihre Kunden aktiv halten. Neben vier Neueröffnungen plant FitX daher 15 Renovierungen – Ausdruck des ständigen Trendwandels.
Neuerfindung in der Pandemie
Auch Firmenchef Seibold hat bei Fitness First die Schließungen in der Covid-Zeit genutzt, um die eigenen Klubs umzubauen. Knapp 20 Filialen mussten dichtmachen – vor allem bei zu hohen Mieten. Das Ziel: Die Marke soll raus aus der Marktmitte, die als wenig zukunftsträchtig gilt. Also ist der Teil der Klubs mit Schwimmbad und üppiger Saunalandschaft nun teurer, die übrigen sind günstiger.
Seibold nennt das Zielsegment „Full Service Best Price“. Sein Vorbild: Motel One, die Kette, die mit günstigen, aber voll ausgestatteten Hotels ein neues Marktsegment zwischen billig und Mittelklasse eröffnet hat. Seibold hat gerade einen neuen Drei-Jahres-Plan aufgelegt, nach dessen Abschluss die Gruppe für den Weiterverkauf reif sein soll.
Zum einen wurde durch Zukäufe aus Fitness First die LifeFit-Gruppe. Erste Übernahme war 2018 Elbgym, die Kette mit damals drei Filialen. Es ist auch ein symbolischer Sieg: Elbgym wurde einst bewusst neben Fitness-First-Filialen gegründet, um mit einem individuellen Konzept der damals profillosen Kette Kunden abspenstig zu machen. Zu LifeFit kam 2019 dann auch die südwestdeutsche günstige Kette SmileX, vor einem Jahr InShape.
Zweiter Wachstumstreiber soll das Geschäft mit Franchise-Nehmern werden. Dabei geht es um kleine, spezialisierte Studios, etwa für Yoga oder intensive Gruppentrainings. Seibolds Beobachtung: Franchise-Fitnessketten sind am Markt höher bewertet als solche mit eigenen Studios.
Daher soll das neue Geschäftsfeld ein Werttreiber für den Eigner Oaktree werden, der in wenigen Jahren LifeFit als Ganzes oder in zwei Teilen verkaufen oder aber – wie Basic-Fit – an die Börse bringen könnte.
Es ist die Logik des Kapitalmarkts, die nach der Pandemie die Zukunft der Fitness-Branche prägt."