Lifters Lounge

Mit SV-Workshops (insbesondere für mittelalte Frauen) lässt sich halt recht gut Geld verdienen, ohne dass man großartig Kompetenz nachweisen muss. Ich bin damals beim Taekwondo abgehauen, als sich unser Trainer (3. Dan - also schon einiges auf dem Kasten eigentlich) nicht mehr um die Wettkampftruppe gekümmert, sondern jeden Abend diese unsäglichen Kurse veranstaltet hat, bei denen zehn alte Weiber kreischend auf Pratzen eingetrommelt haben.

Find das sogar gefährlich, den Leuten einzureden, sie hätten nur den Hauch einer Chance gegen nen halbwegs versierten Angreifer. Bin ja dann zum Kick- und später zum Thaiboxen gekommen und hatte von Berufs wegen ein paar ordentliche Auseinandersetzungen, so dass ich mir folgende Prioritätenliste für einen Straßenkampf ohne Waffen zurechtgelegt habe:

1. Entschlossenheit und Brutalität
2. Athletik und Körpergewicht
3. Schmerzresistenz und Erfahrung
4. Technik und Ausdauer

Sich einem Kampf mit einem unbekannten Aggressor zu stellen macht also frühestens Sinn, wenn man ein 80 kg schwerer, athletischer Kickbox-Veteran ohne schlechtes Gewissen ist.

Kraftmasse 3000 hat geschrieben: 17. Mär 2023, 13:56 Andererseits kochen doch alle Systeme nur mit Wasser. Ein Kick ist ein Kick, ein Punch ist ein Punch.

Genau das

Hab mich bisschen durchgelesen hier.
Nach einigen Jahren diverser Kampfsportarten, Selbstverteidigungssystemen und sogar als KM Trainer glaube ich eine einigermaßen fundierte Meinung preisgeben zu können ^^

Ohne Drills und Sparring geht es nicht, Anfänger werden langsam ran geführt.
Egal wie toll die Technik, die Ausführung oder die Kraft sind.
Eines meiner Lieblingszitate dazu kommt von Mike Tyson: Jeder hat einen Plan bis er ins Gesicht geschlagen bekommt.
Und genau da liegt der vermeintliche Vorteil von Kampfsportarten. Es wird gekämpft.

Der Unterschied liegt also woanders.
Ich nehme als Beispiel mal einen geraden Kniestoß aus dem Thaiboxen: der darf nicht zwischen die Beine gehen und ist technisch deutlich anspruchsvoller als ein einfaches „Knie hoch“. Dazu kommt die Haltung des Körpers, im KM würde ich mich leicht vor beugen und die Schulter des Gegners greifen.
Dann die Frequenz, denn in KM kommt das Knie nicht einmal sondern sooft wie es eben geht bzw. bis Ich der Meinung bin dass es reicht.
Zuletzt ist es das Umsehen, reagieren auf andere Gefahren und wegrennen sobald wie möglich.
Im KM gehen wir immer davon aus dass Angreifer in Gruppen kommen, bewaffnet und vollkommen enthemmt.


Da liegt auch der schwierige Punkt: ein Kampfsportler bereitet sich auf den Kampf vor, weis was er tut, ist sich sicher dass der Gegner auch so denkt, ein Schiedsrichter ist da und der Bewegungsspielraum ist eingeschränkt.

Das alles habe ich in einer SV Situation nicht.
Daher ist nicht nur die Taktik im Falle eines Falles entscheidend, sondern die Grundlegende Strategie mich umzusehen, Gefahren früh zu erkennen und konzentriert meine Umwelt wahr zu nehmen.

Didaktisch ist es auch vollkommen anders aufgebaut, ich versuche im KM durch die Technik eine Art Mindset zu vermitteln, im Kampfsport ist es eher umgekehrt.

Dann noch BJJ, Ringen usw: einmal am Boden kommt der zweite Angreifer und tritt zu. Thema erledigt.
Bodenkampf ist eine wahnsinnig tolle Sache die in einigen Situationen genial funktioniert.
Aber eben nicht immer und schon gar nicht als Priorität.
Wer sich mal versucht auf Splitt aus nem Guard zu befreien weis was ich meine ^^

Jemand der Kampfsport betreibt ist nicht Wehrlos, aber eben auch nicht richtig auf eine SV Situation trainiert.
Andersrum ist ein KMT nicht Wehrlos, aber kann im Ring nichts ausrichten.

Es ist eine Frage der Zielsetzung und der Bereitschaft den Weg zu gehen.
KM hat als Ziel jemand möglichst schnell in die Lage zu versetzen einer SV Situation auszuweichen oder zu entkommen.

Meine 5 Mark zu dem Thema, für Kritik und Diskussionen dazu bin ich sehr gerne Bereit.

LG aus Mannheim
Patrick

Dr.Defense hat geschrieben: 22. Mär 2023, 15:32
Im KM gehen wir immer davon aus dass Angreifer in Gruppen kommen, bewaffnet und vollkommen enthemmt.

Was bedeutet bei euch enthemmt und wie stellt ihr das im Training dar?

Wenn ihr immer von diesem Fall ausgeht, wäre ja dann wohl Sprinttraining das einzige richtige Mittel.

Dr.Defense hat geschrieben: 22. Mär 2023, 15:32 Wer sich mal versucht auf Splitt aus nem Guard zu befreien weis was ich meine ^^

Trainiert ihr solche Situationen? Muss ja nicht unbedingt auf Split sein, was ich ziemlichen Quatsch finde, aber zum Beispiel Betonboden?

Horrido hat geschrieben: 23. Mär 2023, 09:05

Dr.Defense hat geschrieben: 22. Mär 2023, 15:32
Im KM gehen wir immer davon aus dass Angreifer in Gruppen kommen, bewaffnet und vollkommen enthemmt.

Was bedeutet bei euch enthemmt und wie stellt ihr das im Training dar?

Wenn ihr immer von diesem Fall ausgeht, wäre ja dann wohl Sprinttraining das einzige richtige Mittel.

Dr.Defense hat geschrieben: 22. Mär 2023, 15:32 Wer sich mal versucht auf Splitt aus nem Guard zu befreien weis was ich meine ^^

Trainiert ihr solche Situationen? Muss ja nicht unbedingt auf Split sein, was ich ziemlichen Quatsch finde, aber zum Beispiel Betonboden?

Muss mich dir wie immer anschließen, Horrido.
Finde es wirklich sehr fragwürdig, wenn man trainiert sich einer enthemmten bewaffneten Gruppe entgegenzustellen. Ich kenne echt viele Jungs aus dem MT/Grappling/Ringen/MMA Bereich und ich denke nahezu 100% dieser Jungs würden sagen "Lauf schneller, als die anderen".
Gerade bezogen auf das SV setting ohne viel Kampfsport und Sparring Erfahrung.

Eigentlich ist doch KM dafür da, dass man Kontakt bricht und nicht austeilt.

.dnl hat geschrieben: 23. Mär 2023, 11:34 Muss mich dir wie immer anschließen, Horrido.
Finde es wirklich sehr fragwürdig, wenn man trainiert sich einer enthemmten bewaffneten Gruppe entgegenzustellen. Ich kenne echt viele Jungs aus dem MT/Grappling/Ringen/MMA Bereich und ich denke nahezu 100% dieser Jungs würden sagen "Lauf schneller, als die anderen".
Gerade bezogen auf das SV setting ohne viel Kampfsport und Sparring Erfahrung.

Sehe ich auch so und kenne auch keinen Sportler der das großartig anders sieht.
Selbst die meisten Jungs vom Acker sehen das so.

Ich kann auch immer schlecht begreifen, was die Angst vor einer ach so schlimmen SV-Situation immer soll. Als ob man hier ständig Angst haben müsste an jeder Ecke überfallen zu werden und dann auch noch von bewaffneten Gruppen.
Klar, wem sowas passiert, oder wer da völlig unbeteiligt und unvorbereitet hineinrutscht, dann ist das absolute scheiße und kann einem psychologisch schon ziemlich Probleme bereiten. Aber die reale Gefahr würde ich doch als gering einstufen.

Wenn jemand bock auf Kampfsport hat, soll er sich eine Art aussuchen, die ihm am meisten zusagt und diese dann einfach trainieren. Wenn dann noch ein Grund der Wehrhaftigkeit dazu kommt, sollte man natürlich eine Art wählen in der Vollkontakt und Sparring stattfindet (und dann ist es auch egal, ob es rein stehend ist, oder ob es sich hauptsächlich auf dem Boden abspielt).

Schade, dass das TA-Forum komplett weg ist. Hätte hier sonst Zig Posts zitieren können in denen manche SV-Experten in einer Gegend leben, in der sowas häufiger passiert. Teilweise wird da immer das Kâmpfen gegen "Gruppen" trainiert.
Ging schon ganz schön wild zu in diesen Threads. Hängen geblieben ist mir auch der ellenlange Post, der lang und breit die Vorzüge mancher Kampfsportarten erklärte und damit endete:" So, aber in dieser Situation musst du Herr Threadersteller auch das Mindset haben, jemanden den Kehlkopf rauszureißen. Das hast du aber nicht."

Beste SV-Methode bei den Leuten wäre gewesen: Umziehen

Na dem Himmel sei dank. Das wäre an Fremdscham wahrscheinlich schwer zu überbieten gewesen.

Gibt anscheinend einige die diese Hollywood Romantik im Kopf haben.

Röder2014 hat geschrieben: 23. Mär 2023, 14:21 Schade, dass das TA-Forum komplett weg ist. Hätte hier sonst Zig Posts zitieren können in denen manche SV-Experten in einer Gegend leben, in der sowas häufiger passiert. Teilweise wird da immer das Kâmpfen gegen "Gruppen" trainiert.
Ging schon ganz schön wild zu in diesen Threads. Hängen geblieben ist mir auch der ellenlange Post, der lang und breit die Vorzüge mancher Kampfsportarten erklärte und damit endete:" So, aber in dieser Situation musst du Herr Threadersteller auch das Mindset haben, jemanden den Kehlkopf rauszureißen. Das hast du aber nicht."

Beste SV-Methode bei den Leuten wäre gewesen: Umziehen

Hab da noch so einige dieser fiktiven Stories im Sinn...an Peinlichkeit kaum zu ueberbieten..hoechstens vom ehemaligen "Was verdiene ich" Thema.

.

Ich fürchte ich habe es falsch dargestellt.
Es geht bei der Annahme von Gruppen darum dass man sich umschaut, auch wenn man gerade einen Angreifer vor sich hat. Gegen Gruppen kämpfen ist ein ganz eigener Block, Ziel ist in jeder SV Situation die Flucht, das habe ich als „ausweichen oder entkommen“ umrissen.
Enthemmt bezeichnet i.d.R. einen alkoholisierten oder anderweitig weniger zurechnungsfähigen Zustand.

Ich selbst mag das ganze „du musst immer Angst haben“ auch nicht, sowas bringe ich niemand bei.

Danke für die Reaktion, freu mich immer andere Standpunkte zu lesen.

Enthemmt heisst heutzutage auch Chemie. Und jemand auf Marschierpulver willst du nicht boxen. Die ham ein Riesenego, viel Energie und spüren keine Schmerzen. Die musst du ko hauen oder zu zweit fixieren. Kann mich noch gut an die Technoevents damals erinnern.

Und es ist in meinen Augen auch ziemlich utopisch in eine Boxerei reinzugehen und zu denken nix abzukriegen. Was und wieviel weisste erst hinterher, das kann aber immer dumm laufen.

Ein Aspekt wurde hier noch gar nicht angesprochen. SV kann auch juristische Konsequenzen haben. Ein ehemaliger Türkollege musste das damals erfahren. Der ging in eine Boxerei auf der Tanzfläche unserer Disco rein, wurde von 3 Typen angegriffen, hat die weggetreten und wurde verklagt. Vor Gericht hiess es dann Notwehrüberschreitung, sie als Kickboxer müssen wissen, was sie anrichten können. Und obwohl die Typen angefangen hatten, es 3 gegen 1 war und er eigentlich nur das Hausrecht ausüben wollte, hatte er dann ne Körperverletzung mit Geldstrafe im Führungszeugnis.
Danach war für uns auch klar, sollte es mal dazu kommen, immer schön darauf bestehen Glück gehabt zu haben und bloß nix von i-welchen Nahkampfsystemen erzählen.

Wie hätte er sich denn wehren können, damit es dann keine Notwehrüberschreitung ist? Ein Backpfeife geben?

Habe den Großteil des Threads überflogen, durchaus interessant. Überlege auch nebenbei bisschen mit Kampfsport loszulegen. Primär um Mal was Neues auszuprobieren/Spaß haben/bisschen Selbstverteidigungsfähigkeiten bzw. -bewusstsein.
100m die Straße runter ist ne Kampfsportschule, bin mir nur bisher unsicher ob ich's einfach klassisch mit Boxen oder mit Thai Boxen probieren will
Bin 5x/Woche im Gym und will das auch beibehalten, 1x/Woche wäre Kampfsport.

Wie schnell lernt man denn als Durchschnittstyp die absoluten Basics des Sports und wie sieht so ein Training üblicherweise eigentlich aus?
Elendig viel Seilspringen triggert mich jetzt nur mittelmäßig

Danke

Kraftmasse 3000 hat geschrieben: 24. Mär 2023, 11:46 Wie hätte er sich denn wehren können, damit es dann keine Notwehrüberschreitung ist? Ein Backpfeife geben?

Einfach nur im Nachgang dem Richter nicht sagen, dass er x Jahre Kampfsport Erfahrung hat schätze ich