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"Schwerer Sturm: Jetzt kämpft auch „Bettina“ gegen Putins Armee
Ein „Jahrhundertsturm“ ist über die Krim gefegt und hat Putins Festung in Teilen geschleift. Diese Naturgewalt könnte die Besatzer weiter schwächen.
Update vom 28. November, 8.18 Uhr: Das Unwetter über dem Schwarzen Meer hatte in der Nacht sowohl an der ukrainischen Küste, als auch auf der Halbinsel Krim großen Schaden angerichtet. Medienberichten zufolge wurden auf der Krim mehrere Menschen verletzt, ein 50-jähriger Mann wurde zudem von den Wellen ins Meer gerissen und ertrank.
Durch die heftigen Wellen, drohen nun Seeminen aus ihren Liegeplätzen im Asowschen Meer und im Schwarzen Meer gerissen zu werden, berichtete die New York Times. Dies sei in der Vergangenheit bereits bei weniger heftigen Stürmen vorgefallen, schrieb die US-Zeitung. Ein russischer Militärblogger sprach hierbei für Gefahren für die Seestreitkräfte beider Parteien, berichtete das US-Institut für Kriegsstudien (ISW).
Schwerer Sturm: Jetzt kämpft auch „Bettina“ gegen Putins Armee
Erstmeldung: Simferopol – Wladimir Putin mag vielleicht jetzt gerade an „Waterloo“ erinnert werden; das Gleiche wie diese kleine belgische Gemeinde, in der Napoleon, der Kaiser der Franzosen, sein militärisches Desaster vor den Augen der Welt erlebte, könnte für den Diktator aus Russland die Krim werden. Nicht nur, dass ihm die Verteidiger im Ukraine-Krieg mit ihrer Gegenoffensive die Zähne zeigen, jetzt zieht er auch den Zorn der Naturgewalten auf sich: Newsweek berichtet von hurrikanstarken Winden und zehn Meter hohen Wellen, die gerade in einem Sturm über dem Schwarzen Meer wüten und auf die Küste der Krim-Halbinsel branden. „Bettina“ wird der Sturm wird von Meteorologen genannt.
Der Sturm braust offenbar auch unbarmherzig gegen die russischen Festungsanlagen, mit der Putins Armee sich an diesem Teil des ukrainischen Staatsgebietes völkerrechtswidrig festkrallt und seit fast zehn Jahren besetzt hält. Newsweek zitiert einen Berater des ukrainischen Innenministers, Anton Geraschtschenko, der auf X (vormals Twitter) behauptet hat, der Sturm überschwemme Schützengräben, die die russische Armee an den Stränden ausgehoben hatte. Newsweek: „Nach Informationen von Medien auf der Krim hat das Wasser in Jewpatoria die Verteidigungslinie an der Küste, technische Gebäude und Feuerstellungen weggespült.“ Nach Angaben Moskaus waren fast zwei Millionen Menschen in Russland und den besetzten ukrainischen Gebieten am Montag ohne Strom. Ukrainische Behörden berichteten von Stromausfällen in über 2000 Gemeinden.
Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti schrieb vom „stärksten Sturm seit Beginn der Aufzeichnungen“ auf der Krim. In ukrainischen Medien war sogar von einem „Jahrhundertsturm“ die Rede.
Prestige-Objekt: Russlands Verluste werden durch „Jahrhundertsturm“ verschärft
Dieser Sturm könnte insofern zum willkommenen Kombattanten der ukrainischen Verteidiger werden und Putins Verluste verschärfen. Beide Gegner sehen in der Krim den Dreh– und Angelpunkt des Ukraine-Krieges, weil die Russen sich seit der Annexion 2014 weigern, die Krim und ihre Hauptstadt Simferopol als ukrainisches Staatsgebiet anzuerkennen und entsprechend autonom zu behandeln. Im Gegenteil haben sie diesen Zeitraum benutzt, um die Krim als ihr Prestige-Objekt zu einer militärischen Festung auszubauen, Flugplätze anzulegen, massive Luftabwehrsysteme zu stationieren und die Schwarzmeer-Flotte von dort aus operieren zu lassen.
Dazu der Militärökonom Marcus Keupp im Interview mit der Tagesschau: „Die Krim ist nicht nur das logistische Zentrum, sie ist auch das militärische Kraftzentrum der ganzen russischen Operation gegen die Ukraine, und deswegen wird sie auch das große Finale des Krieges sein und möglicherweise schneller, als so mancher das erwartet hat.“ Die russischen Bemühungen scheinen das zu belegen: Die Washington Post will die russischen Befestigungsanlagen auf Bildern des Satellitendienstes Maxar genau verortet haben und addiert mehr als 30 Kilometer an Schützengräben auf der Krim.
Nach Angaben russischer Medien hat das Militär mehr als 200 Objekte über die Halbinsel verteilt sein: Luftwaffenstützpunkte, Munitionsdepots, Kasernen. Mehrere Zehntausend Soldaten sind angeblich dort stationiert. Der Hafen von Sewastopol ist der Stützpunkt der russischen Schwarzmeer-Flotte. Überall dort erleidet die russische Invasionsarmee momentan offenbar Verluste ohne Feindeinwirkung. Auf seinem X-Kanal (vormals) Twitter veröffentlicht der Militäranalyst Hi Sutton Bilder von zerstörten Gerüsten und zerstörtem Beton. Das alles könnte militärischen Ursprungs sein. Genauere Informationen zu den Standorten fehlen allerdings, obwohl sich Newsweek in seinem Bericht darauf beruft.
„Festung Krim“: Primärziel der ukrainischen Gegenoffensive
Aktuelle Satellitenbilder von Maxar, die von der Washington Post veröffentlicht wurden, zeigen das ausgedehnte Netz russischer Befestigungsanlagen, die auf der Krimhalbinsel und entlang ihrer Zugänge aus der besetzten Südukraine errichtet werden. Russische Truppen besetzen eine Landbrücke, die sich vom Fluss Dnipro bis zur russischen Grenze erstreckt. Wichtige Landverbindungen verlaufen durch die besetzten Städte Melitopol und Mariupol. Der Korridor ist einer der wenigen greifbaren Erfolge des Kremls im bisherigen Krieg.
urch die Landenge von Perekop ist die Krim vom Festland getrennt, bildet somit einen neun Kilometer breiten Korridor als Grenze zwischen der Ukraine und der von Russland annektierten Krim entlang der südlichen Grenze des Verwaltungsgebiets Cherson. Russland hat diese Landverbindungen durch einen soliden Metallzaum von 50 Kilometern Länge und mehr als zwei Metern Höhe durchtrennt. Nur zwei Straßen – die Autobahnen M17 und M18 – führen von Norden auf die Krim. Die westliche M17 ist jetzt von russischen Schützengräben und Befestigungen gesäumt, während die östliche M18 durch die Zerstörung einer einzigen Brücke effektiv geschlossen werden kann.
Trotzig im Sturm steht weiterhin die Krim-Brücke, auf die der russische Inlandsgeheimdienst seine Aktivitäten zu konzentrieren scheint. Vasyl Maliuk sieht die Krim-Brücke bereits in Schutt und Asche aufgehen und droht Russland entsprechend unumwunden. Ohne Krim-Brücke wäre der Lebensnerv von Wladimir Putins Invasionsarmee durchtrennt und möglicherweise der Ukraine-Krieg damit tatsächlich entschieden. Wie der Focus berichtet, hat Maliuk als Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU in einer Fernseh-Dokumentation klipp und klar geäußert, Russlands unbeschränkter Zugang zur Halbinsel sei künftig „zum Scheitern verurteilt“; neue Angriffe durch die Ukraine stünden unmittelbar bevor. Letztendlich sei die Brücke nach seinen Worten „dem Untergang geweiht“. Sie wäre dann auch der größte Verlust Moskaus imperialistischem Auftritt vor der Weltöffentlichkeit.
Milliardengrab: Die Krim wird Putins „Waterloo“
Der Sturm über der Krim könnte das Imperium Russlands mit seinem dortigen wagemutigen Engagement tatsächlich Kopf und Kragen kosten. Wie der Spiegel bereits kurz nach der Annexion der Krim spekuliert hatte, koste die Halbinsel den Kreml „etwa sechs bis sieben Milliarden Dollar (5,5 bis 6,5 Milliarden Euro) pro Jahr“. Der Spiegel veröffentlichte damit die Einschätzung des ehemaligen russischen Finanzministers Alexej Kudrin, der diese Summe aus dem stagnierten Welthandel und dem Verfall des Rubels addiert hat. Obendrauf kämen laut Kudrin indirekte Kosten wie Verluste durch Kapitalflucht oder durch den Vertrauensverlust bei Investoren. Diese könnten sich in den nächsten drei bis vier Jahren auf bis zu 200 Milliarden Euro summieren – das war 2015. Inzwischen hat Putin noch dazu eine Armee aufmarschieren lassen und einen Feuersturm entfacht.
Indem er die Invasoren schon allein finanziell empfindlich trifft, könnte „Jahrhundertsturm“ „Bettina“ den Ukrainer also in die Karten spielen. Nach dem Sturm wäre interessant zu wissen, welche Ressourcen Wladimir Putin zur Wiederherstellung des Status Quo aufwenden müsste, wie Claudia Major, Sicherheitsexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, der ARD-„Tagesschau“ erklärte – als wäre dieser Sturm ein Puzzle-Teil einer ausgeklügelten Strategie der Ukraine: „Wir sehen ein akribisches, systematisches Vorgehen, das darauf abzielt, die Krim für Russland unhaltbar zu machen“, analysierte die Politikwissenschaftlerin. Major weiter: „In Kombination mit den Angriffen auf die Kertsch-Brücke und anderen Zugängen auf die Krim, ist das wirklich das Ziel: Die Krim unhaltbar zu machen und langfristig Russland dazu zu bringen, sie aufzugeben.“
Die Verwüstungen der Festung könnten dazu beigetragen und Wladimir Putin näher an sein „Waterloo“ herangeführt haben."
Mal schauen ob dieses Mal tatsächlich "General Winter" gegen statt für Russland ins Feld zieht..