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Wie Robert Habeck mit seiner Rede Olaf Scholz und Annalena Baerbock vorführt
Robert Habeck galt manchen schon als überforderter Minister. Nun ist dem Vizekanzler ein Coup gelungen - mit einer emotionalen Israel-Rede, die eigentlich andere hätten halten müssen.
Vier Wochen nach den grauenhaften Hamas-Terrorattacken hat Deutschland endlich eine Kanzlerrede zur Lage bekommen. Nur dass sie nicht von Olaf Scholz kam. Sie kam auch nicht von Frank-Walter Steinmeier, obwohl es doch eigentlich die edelste Aufgabe eines Bundespräsidenten ist, in schwierigen Situationen solche Reden zu halten. Sie kam auch nicht von Außenministerin Annalena Baerbock, die doch sonst nie vor klaren Worten zurückscheut.
Er hatte den Ruf der Unfähigkeit
Nein, sie kam ausgerechnet von jenem Mann, der sich in den vergangenen Monaten den Ruf erarbeitet hatte, einer der unfähigsten Minister des Kabinetts zu sein: Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Fast zehn Minuten dauert das Video, das sein Ministerium am Mittwoch in den sozialen Netzwerken veröffentlichte. Das ist ungewöhnlich lang für eine Zeit, in der die Aufmerksamkeit vieler Nachrichtenkonsumenten oft nur wenige Sekunden beträgt. Doch Habeck gelingt es, trotz der Länge die Spannung zu halten.
Seine Worte enthalten alles, was eine gute Rede ausmacht. Rhetorisch wie politisch. In kurzen eindringlichen Sätzen schlägt Habeck von der Aktualität einen historischen Bogen und benennt Deutschlands Verantwortung: das aus dem Holocaust resultierende „Schutzversprechen an die Jüdinnen und Juden“ als Fundament unseres Staates. Und er beschreibt, wer dieses Versprechen gerade in Gefahr bringt. Dabei erwähnt er nicht nur den muslimischen und rechten Antisemitismus, sondern auch den aus der linken Ecke. Habeck kündigt Konsequenzen an, droht mit einer „harten politischen Antwort“. Vor allem lässt er keinen Zweifel, auf was es bei allen Überlegungen und Erwägungen jetzt ankommt. Darauf, an der Seite Israels zu stehen.
Die Rede füllt eine Leerstelle
Habecks Rede ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen, weil sie die Leerstelle deutlich macht, die Olaf Scholz in diesem Punkt hinterlässt. Der Kanzler ist ein Analytiker, doch die öffentliche Zurschaustellung von Emotionen ist ihm zuwider. Auch die Gabe der Rede besitzt er nicht. Seine Ansprachen zur Lage in Israel und in der Region wirkten stets „redlich bemüht“, aber eben auch nicht mehr.
Doch in Situationen, in denen Krisen und Konflikte Gewissheiten zerstören, Wertesysteme durcheinander wirbeln und existenzielle Fragen aufwerfen, in denen Bilder von grauenhaftem Leid niemanden kalt lassen, braucht es mehr als Analysen. Es braucht Worte der Empathie. Es braucht eine klare Positionierung. Es braucht eine große Rede. Habeck hat sie geliefert. Und er hat damit nicht nur politisch Orientierung gegeben, sondern ein emotionales Geländer, an dem sich die Menschen festhalten können.
Das steht im Kontrast zum derzeitigen Auftreten seiner Parteifreundin und Rivalin, Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock. Sie ist in der Kritik, weil Deutschland sich bei der Abstimmung zur UN-Resolution zu Israel und Gaza enthielt. In dieser wurde ein Waffenstillstand von Israel gefordert, aber der Hamas-Terror als Auslöser der militärischen Reaktion nicht benannt.
Wortreich erklärt Baerbock nun, warum Deutschland im Bestreben, weiterhin eine Vermittler-Funktion in der Region einzunehmen, es sich mit den arabischen Ländern verderben wollte und deshalb bei der UN-Abstimmung nur enthielt, aber nicht gegen die Resolution stimmte.
Es ist eine interessante Verkehrung der Rollen. Während sich Habeck bei seinem Heizungsgesetz verbal wie inhaltlich verhedderte und das ganze Land gegen sich aufbrachte, reiste Baerbock durch die Welt und produzierte schöne Bilder. Von den Konflikten der Innenpolitik konnte sie sich fernhalten. Jetzt aber ist die Innenpolitik von der Außenpolitik und damit Baerbocks Terrain bestimmt. Und plötzlich ist sie diejenige, die sich verheddert.
Dass Habeck sich zu diesem Zeitpunkt entschloss, Baerbocks Fahrigkeit eine klare Botschaft entgegen zu setzen, war gewiss kein Zufall, sondern auch machtpolitisches Kalkül. Das Ringen, wer bei der nächsten Bundestagswahl für die Grünen ins Rennen geht, ist noch nicht entschieden.
Vom Geächteten zum Kanzlermaterial in zehn Minuten
Bemerkenswert ist auch das Kunststück, das Habeck mit seiner Rede gelungen ist. Monatelang war er ein Geächteter. Nun haben ihm zehn Minuten Ansprache die Anerkennung aus fast allen politischen Lagern beschert. Und nicht nur aus diesen: In den sozialen Netzwerken wird er für seinen Aufritt als großer Staatsmann gefeiert.
Es ist ein erstaunliches Comeback, von dem man noch nicht weiß, wie nachhaltig es ist. Aber Habeck ist als Möglichkeit für die künftige Führung des Landes plötzlich wieder im Bereich des Vorstellbaren. Weil er die richtigen Worte zur wichtigen Zeit gefunden hat"
Sehe ich genauso... wie es im Text auf den Punkt gebracht ist, anbei.. "redlich bemüht" fasst die Kanzlerschaft von Scholz prägnant zusammen und zur feministischen Aussenpolitikerin lasse ich mich allerdings besser erst gar nicht.